Projektbesuche in Ntchisi

Die letzte Woche unseres Aufenthaltes verbringen wir in Ntchisi, wo wir mit Beate Jakob vom Difäm verschiedene Projekte besuchen. Diese sind nach dem ASSET Prinzip aufgebaut, das auf viel Eigeninitiative der Dorfbewohner basiert. Als Erstes eruieren sie die größten Probleme ihrer Gemeinde, danach versuchen sie mit ihren Ressourcen Lösungsstrategien zu entwickeln. Das Difäm steht beratend zur Seite und fördert individuelle Lösungsansätze, sobald diese ausgereift sind. Dabei bilden sich je nach Interesse verschiedene Gemeinschaften wie zum Beispiel die Farmer Group, die Sanitation Group, Nutrition Group und Health Group. In den vergangenen drei Tagen haben wir verschiedene Dörfer besucht, wobei wir von dem herzlichen Empfang überwältigt waren.

Während unseres Besuches stellten sich die unterschiedlichen Interessensgruppen vor. Die Farmer Group hat sich als Ziel gesetzt, den Ernteertrag zu erhöhen, ohne dabei viel Geld für chemischen, umweltschädlichen Dünger auszugeben. Mit der Unterstützung des Difaems wurden Schulungen durch die malawische Regierung in den Dörfern ermöglicht und die Dorfbewohner zeigten uns bei unserem Besuch stolz ihren selbstproduzierten organischen Dünger.

Was aus den Spenden vom Benefizstochern und Weihnachtsmarkt wurde: eine von vielen Toiletten

Die Sanitation Group führte uns durch das Dorf und zeigte uns einige ihrer VIP -ventilated improved pit latrines. Diese von der WHO empfohlenen Toiletten haben den Vorteil das Grundwasser nicht zu verschmutzen und durch eine bestimmte Belüftungseinrichtung die Moskitos von den Toiletten fernzuhalten. Dadurch sollen Krankheiten verringert werden. Die Besichtigung dieser Pit Latrines verdeutlichte uns StuDifäm-Mitgliedern, wofür das eingenommene Geld unserer Spendenaktionen die letzten Jahre mit verwendet wurde. Mit den von uns eingeworbenen Spenden wurden einerseits die Baumaterialien finanziert und andererseits das von den Dorfmitgliedern gegründete Pit Latrine Team für den Bau der Toiletten ausgebildet. Wir konnten sehen, dass der Bedarf an Toiletten in den Dörfern noch nicht gedeckt ist, weswegen wir nun noch motivierter unsere Spendenaktionen vorantreiben wollen.

Händewaschen nach der Toilette – eine Demostration

Ein weiterer Teil des ASSET Projektes, auf den wir zum Schluss eingehen möchten, sind die Village Clinics. Die malawische Regierung hat das Ziel ausgegeben, dass kein Dorfbewohner länger als 5 km zur nächsten Village Clinic laufen muss. Eine Village Clinic wird von einer Person mit einer dreimonatigen Ausbildung im Gesundheitswesen geführt. Diese Person wohnt in der Village Clinic und gewährleistet eine 24-stündige Verfügbarkeit. Die Aufgabe ist die kostenlose Versorgung von Kindern unter 5 Jahren unter anderem mit Impfungen und ambulanten Therapien zum Beispiel bei Pneumonie, Malaria oder Dehydratation. Außerdem können sich Frauen hier die 3-Monatsspritze zur Verhütung injizieren lassen. Das Gehalt des medizinischen Personals wird vom Staat übernommen, jedoch ist das Dorf dafür zuständig, ein angemessenes Gebäude zu errichten und auszustatten. In dieser Aufgabe wird das Dorf vom Difaem unterstützt.

Die Projektbesuche waren ein passender Abschluss unseres Malawiaufenthaltes, da wir einen Einblick in die Basisgesundheitsversorgung bekamen und die persönlichen Gespräche mit den Dorfbewohnern sehr genossen haben. Wir sind alle sehr froh uns für diesen Malawiaufenthalt entschieden zu haben.

Spannende Einblicke und Erholung am See

In unseren ersten Wochen haben wir zahlreiche Einblicke in die unterschiedlichen Abteilungen des Krankenhauses bekommen. Dabei hat uns insbesondere die mobile Klinik beeindruckt, wovon wir nun berichten möchten.

Gesundheitsversorgung auf dem Land

Diese so genannten Outreaches der Krankenhäuser stellen in Malawi die gesundheitliche Grundversorgung auf dem Land sicher. In einem Team des Krankenhauses bestehend aus 6-12 Mitarbeitenden werden täglich die Dörfer der Umgebung besucht. Der Fokus wird dabei auf Impfungen, HIV-Sprechstunde, psychische Gesundheit und Schwangerschaftsvorsorge gesetzt. Die Teams dieser Bereiche können wir Studenten tatkräftig unterstützen. Beispielsweise werden die Kinder und Erwachsenen von uns geimpft, bei Schwangeren wird die Lage des Kindes getastet sowie die Schwangerschaftswoche mittels einfacher Techniken abgeschätzt.

Seit Mai 2019 ist Malawi eines von drei afrikanischen Ländern, in denen ein Malaria-Impfstoff getestet wird. Dass Malawi in diesem Bereich Pionierarbeit leistet macht insbesondere lokale Ärzte sehr stolz. Diese Impfungen werden im Rahmen der mobilen Kliniken auch direkt in den Dörfern durchgeführt. Des Weiteren können Frauen im gebärfähigen Alter alle drei Monate eine Progesteronspritze zur Verhütung bekommen. Auch die Bereitstellung von Medikamente für Patienten mit HIV oder psychischen Erkrankungen sowie die Überwachung der regelmäßigen Einnahme ist Teil der Outreaches.

Neben der medizinischen Arbeit bekamen wir einen Einblick in das Leben der Menschen auf den Dörfern. Hierbei sind besonders die Unterschiede zwischen Nkhoma und den umliegenden Dörfern deutlich geworden. In den Dörfern sind die Lebensverhältnisse viel einfacher und kaum ein Dorfbewohner spricht englisch.

Das Wochenende nutzten wir erneut um die Landschaft Malawis zu erkunden. Als Ziel wählten wir Cape Maclear am Malawi-See aus. Dieser ist der neuntgrößte und der fischartenreichste See der Erde. Aufgrund der enormen Größe des Sees haben wir den Malawi-See wie ein Meer wahrgenommen. Der See hat unseres Erachtens sehr viel zu bieten, wie z. B. Bootstouren, Kajak fahren, Schnorcheln und Tauchen, dafür war es nicht sehr touristisch. Vorwiegend trafen wir einheimische Touristen aus den großen Städten Malawis, Lilongwe und Blantyre. Wir haben die Zeit am Malawi-See sehr genossen können ihn definitiv als Reiseziel empfehlen.

Besuch im Krankenhaus von Nebobongo

Auf dem heutigen Programm steht die Besichtigung des Krankenhauses von Nebobongo. Der OP ist gut eingerichtet und alle Stationen sind mit Solarstrom ausgestattet. Einige Gesichter der Mitarbeitenden kenne ich noch von meinem Besuch vor 10 Jahren. Viele junge Fachkräfte sind dazugekommen. Stolz zeigt mir der Pharmazeut seine Krankenhausapotheke. Er wurde vom Difäm als Pharmazeutisch-Technischer Assistent (PTA) ausgebildet und versorgt nun das 100-Bettenkrankenhaus mit allem, was nötig ist.

Im Laborgebäude, das wir hier vor einiger Zeit gebaut haben, haben alle diagnostischen Einheiten einen Platz gefunden: Die Laborräume, die Beratungsstelle für HIV und der Ultraschall. Nur das alte Röntgengerät hat seinen Geist aufgegeben. Schade, wenn man alte Geräte, die niemand warten kann, über den Ozean schickt. Für den Transport hätte man ein neues einfaches Gerät kaufen können, dass lokal gewartet werden kann.

Seit die Straße gebaut ist, hat die Zahl der Verkehrsunfälle drastisch zugenommen. Ein kleines Mädchen mit beidseitigen Unterarmfrakturen und einer Kopfverletzung ist ein Beispiel dafür. Eigentlich müsste man jetzt eine Orthopädie aufbauen. Der OP hätte einige Grundvoraussetzungen dafür, aber dazu braucht es ein gutes Röntgengerät und einen Orthopäden, der das Fachwissen mitbringt.

Beim Besuch der Chirurgie stellt mir Dr. Amani den jungen Benjamin vor: Er ist 15 Jahre alt und hatte sich beim Fußballspielen eine Oberschenkelfraktur zugezogen. Leider wurde er zum traditionellen Heiler geschickt, der ihm eine Holzschiene verpasst hat und dabei die Durchblutung des Beines abgeschnitten hat. Benjamin kam mit einer schweren Sepsis im Krankenhaus an. Man versuchte das Bein zu retten, es war aber zu spät. Es blieb nur die Oberschenkelamputation. Was das für einen jungen Menschen in diesem Land bedeutet, kann man nur erahnen.

Nema ist ein kleines Mädchen, das wir im Dorf sehen. Sie hat einen Klumpfuss und sollte dringend operiert werden. Leider gibt es dafür in der gesamten Provinz keine Einrichtung, die das kann. Sie ist schon 5 Jahre alt und leidet an den Konsequenzen ihrer Behinderung. Ohne korrektive Operationen wird sie ein schwieriges Leben vor sich haben. Dr. Jean Claude wird in Kampala in Uganda nachfragen, ob die Orthopädische Klinik der Christophel Blinden Mission weiterhelfen kann. Für die Eltern von Nema wäre das eine Weltreise.

Austausch in der Krankenpflegeschule

Den Rest des Vormittags findet ein intensiver Austausch mit der Krankenpflegeschule statt. Die Schüler haben seit zwei Wochen Ferien, aber das Kernteam ist da. Es gilt die neuen Kurse für September vorzubereiten. Voraussetzung für die Ausbildung ist das 10. Schuljahr. Aufgebaut wurde die Ausbildung vor über 50 Jahren auf Kisuaheli. Der Gründer der Schule wurde beim Mai-Mai Aufstand 1964 entführt und getötet. Aber man hat nie aufgegeben. Seit den 80iger Jahren wird in Französisch unterrichtet und 2008 wurde die Schule auf das Level A2 hochgestuft. Das Level entspricht einer 4-jährigen Ausbildung und damit der deutschen Gesundheits- und Krankenpflegerausbildung. Vor einigen Jahren kam die Hebammenausbildung dazu. Und heute gibt es auch eine Ausbildung zum Medizinisch-Technischen Assistenten (MTA). Inzwischen ist die Regierung auf diese Schule aufmerksam geworden. Der Medizinische Leiter der Provinz will diese Schule nun zu einem Pilotprojekt machen, um neue Unterrichtsmethoden einzuführen und zu besseren Ergebnissen zu gelangen. Eine Chance, für die es wiederum viele Anforderungen gibt. Wir verbringen ein paar intensive Stunden, und überlegen gemeinsam, wie man hier am besten vorgeht.

Bei einem kurzen Rundgang durch die sehr renovierungsbedürftigen Klassenzimmer und den Wohnraum der Studenten begegnet mir Viktor, ein 24-jähriger Krankenpflegeschüler. Er ist im 2. Jahr und bleibt während der Ferien hier: „Ich wohne 340 km weit weg, es ist unmöglich dahin zu reisen. Daher bleibe ich hier und bestelle meinen Garten. Das reduziert Kosten, wenn wir wieder mit der Ausbildung beginnen.“ Viktor möchte später gerne in der Chirurgie arbeiten. Seine Eltern sind einfache Bauern und er hat durch die Kirche von dieser Ausbildung erfahren. Man spürt, dass für ihn schon der Schritt aus seinem Heimatdorf, das noch abgelegener ist als Nebebongo im Norden des Landes, ein großer Schritt nach vorne ist. Auf jeden Fall will er seine Chance nutzen. Er ist einer von 30 Stipendiaten, die das Difäm an der Schule fördert. Wenn ich ihn so sehe, dann weiß ich, dass das Geld gut angelegt ist, wenn junge Menschen, die überhaupt keine Perspektive haben, hier eine Ausbildung bekommen. Es ist eine kleine Schule, weit weg von den Zentren dieser Welt, aber sie schafft Möglichkeiten für junge Menschen, Wege aus der Armut finden und dabei einen wichtigen Beitrag für ihr Gesundheitssystem zu leisten. Ich wünsche mir, dass Viktor den Sprung in eine Anstellung schafft, sein neu gewonnenes Wissen einsetzen und damit hoffentlich auch mal eine Familie ernähren kann.

Gesundheit auf Dorfebene

In den Zimmern von Jacky`s gibt es alles, was man braucht – und noch mehr. Ich zähle 15 Anti-Kakerlaken-Kugeln. Zum Frühstück teilen Olaf und ich uns einen mitgebrachten Corny Müsliriegel. Dann geht es los.

Wir haben ein volles Tagesprogramm. Als erstes besuchen wir das Methodistische Ganta Hospital. Dr. Charly, der im vergangenen Jahr bei uns in Tübingen zu Gast war, begrüßt uns und führt uns herum. Auch hier sehen wir wieder die Händewaschvorrichtungen für das Klinikpersonal, die Patienten und Besucher, die seit der Ebola-Epidemie überall stehen. Aber Ebola ist eben nur eine von vielen Krankheiten, die hoch ansteckend sind. Auch Cholera, Typhus und weitere Infektionen treten hierzulande häufig auf.

Dr. Charly (rechts) mit dem Pharmazeuten des Ganta Hospital

Neben dem Infektionsschutz sind die Versorgung von Schwangeren und die Geburtshilfe wichtige Themen, zu denen wir mit den Mitarbeitenden des Ganta Hospitals und zwei weiteren Kliniken in Guinea zusammenarbeiten. In den vergangenen zwei Jahren waren ein Gynäkologe und eine Hebamme aus Baden-Württemberg im Auftrag des Difäm vor Ort und schulten das Krankenhauspersonal in Ultraschalldiagnostik und im Umgang mit Geburtskomplikationen. Hebammen, Pflegekräfte und Ärzte aus der grenzüberschreitenden Projektregion lernten, Risikoschwangerschaften besser zu identifizieren und zu behandeln.

Zudem wurden die großen Einrichtungen sowie kleine Gesundheitsstationen in der Regenwaldregion nicht nur mit einer Instrumentenbox für Entbindungen, sondern auch mit einem Smartphone und einer Safe-Delivery-App ausgestattet. Die App dient als Nachschlagewerk und soll mit regelmäßigen Fragen das Wissen der Fachkräfte vertiefen und festigen. Anschließend erhielten Einblicke in das neue Medikamentenlager.

Unsere Kollegin Ute Papkalla, die das Projekt vom Difäm aus betreut, wird heute Nachmittag zu uns stoßen. Sie war zwei Wochen lang in Guinea unterwegs und hat dort Projektpartner besucht. Sie wird mit uns nach Monrovia zurückfahren, um von dort aus den Rückflug anzutreten.  

Mittlerweile sind wir eine Gruppe von zehn Personen, die sich den Weg durch die Patientenzimmer bahnen, die Einrichtungen begutachten und fotografieren. Und ich glaube, wir hinterlassen ein ziemlich merkwürdiges Bild bei den Patientinnen und Patienten, die uns hinterherschauen.

Am Nachmittag besuchen wir eine Gemeinde mitten im Regenwald, die mit wenigen Mitteln ihre Gesundheitssituation selbst verbessert.

Angefangen hatte alles mit Ebola und dem verloren gegangenen Vertrauen in die Gesundheitseinrichtungen. Aber auch vorher hatten Teile der Bevölkerung Liberias die Gesundheitsangebote nicht wahrgenommen. Dem sind Mitarbeitende der Christian Health Association of Liberia in Gesprächsrunden nach der sogenannten SALT-Methode auf den Grund gegangen. Da die Gesundheitsfachkräfte häufig nicht bezahlt wurden und überlastet waren, reagierten sie manchmal schroff und behandelten die Patienten nicht. Gemeinsam mit den Dorfgemeinschaften wurde deshalb überlegt, wie sie die Gesundheitssituation selbst verbessern können.

S A LT ist ein Ansatz wertschätzender Kommunikation und steht für die englischen Wörter stimulate (anregen), appreciate (wertschätzen), listen/learn (zuhören, lernen) und transfer (übertragen). In Gruppenarbeit und mit Rollenspielen stießen die CHAL-Beauftragten in den Dörfern zentrale Fragen an: Wer sind wir als Dorfgemeinschaft, was können wir aus eigener Kraft in unserer Gemeinde verbessern und verändern? Wo stehen wir in Bezug auf die Gesundheit unserer Dorfmitglieder? Welchen Traum haben wir, wenn es um unsere Gesundheit geht?

Das Ergebnis war beeindruckend: Es waren feste Toiletten entstanden, wo Menschen vorher in den Busch gingen, Tiere liefen nicht mehr frei durch die Behausungen und Müll wurde gesammelt. Durch diese Maßnahmen ging die Anzahl der Durchfallerkrankungen zurück. Auch das Vertrauen der Menschen in die Gesundheitsstationen kehrt langsam zurück.

Mittlerweile knurrt mein Magen deutlich hörbar. Aber auch Olaf und Patricia von CHAL sind müde und hungrig. Daher fahren wir erst mal in ein Restaurant und machen Pause. Es gibt Reis mit einer sehr leckeren dunklen und gut gewürzten Soße mit Kidneybohnen und zarten Rindfleischstücken.

Als wir beim Nachtisch, Kokosnuskuchen und Erdnusskeksen, angekommen sind, kommt Ute und wir treten den Rückweg nach Monrovia an. Nach vier Stunden Autofahrt kommen wir an und fallen ins Bett im Murex Hotel.