Abschied von Dr. Denis Mukwege und dem Kongo

Wir verabschieden uns noch von Dr. Denis Mukwege. Seine nächste Reise steht an. Wie er diese Belastung nur aushält. Friedensnobelpreisträger, Chefarzt, Familienvater und dabei mit der ständigen Bedrohung und Angst leben. Aber dann ist er einfach da, um sich um die Frauen und Kinder zu kümmern. Bei den Andachten am Morgen wird es ganz deutlich, wo er seine Kraft hernimmt. Die Frauen, die hier singen und beten, motivieren ihn weiterzumachen. „Ich hatte gehofft, dass sich mit dem Friedensnobelpreis etwas ändert, dass ich mich wieder frei hier bewegen kann. Aber es hat sich nichts geändert, ich bin nach wie vor ein Gefangener in meinem Land.“ Er wird weiter rund um die Uhr von der UN bewacht und kann sich ohne Polizeischutz nicht bewegen. Ich bete für ihn und seine Frau, die jeden Tag in dieser ungeheuren Belastung leben müssen.

„Bitte macht weiter mit der Resolution“, so seine Bitte zum Abschied. „Deutschland wird gehört, Ihr könnt etwas bewegen und Ihr müsst es tun“, so gehen wir auseinander. Wir wollen ihn und diese wichtige Arbeit auch weiter unterstützen.

Ebenso fordern wir die UN auf, ihr Mandat zu erweitern, eingreifen und für Frieden zu sorgen. Auch muss der kongolesische Staat endlich aktiv werden und seine Verantwortung übernehmen! Solange der Bürgerkrieg andauert und die Menschen auf der Flucht sind, ist es trotz neuer Medikamente schwierig, die Ebola in den Griff zu bekommen.

Dann geht es für uns wieder Richtung Heimat. Es bleibt viel zu tun.
Helfen Sie mit und unterstützen Sie uns und unsere Partner beim Aufbau einer nachhaltigen und fairen Gesundheitsversorgung für alle Menschen in vernachlässigten Regionen und Ländern: www.difaem-spenden.de

Jede Spende kommt dort an, wo sie gebraucht wird!
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Gemeinsam Kosten zur Gesundheitsversorgung tragen

Heute musste ich gleich zweimal durch Bukavu fahren. Unser Workshop zur Gesundheitsfinanzierung fand am anderen Ende der Stadt statt. Diese Fahrten sind immer ein besonderes Erlebnis. Die Stadt ist einfach viel zu dicht bevölkert, an den Hängen der Berge stehen die kleinen Hütten dicht an dicht und jeden Morgen und Abend sind tausende Menschen unterwegs. Nur wenige ergattern ein Motorradtaxi, die meisten sind zu Fuß unterwegs. Morgens schleppen sie ihr Gemüse oder die Kohlen auf den Markt und verdienen sich ein paar Dollar, um ihre Familien zu ernähren.

Der Verkehr ist absolut dicht und für westliche Augen chaotisch, aber irgendwo scheint jeder zu wissen, wie weit man nach links rüber darf und warum eine Kreuzung einen Kreisverkehr darstellt und die andere nicht. Unser Fahrer wühlt sich sicher durch die Menge, aber immer wieder verriegelt er die Türen – einfach um sicher zu gehen. Geduld ist gefragt, aber wir sind immer gut wieder angekommen.

Solidargemeinschaft zur Finanzierung kirchlicher Gesundheitsdienste

Auf dieser Reise wird es wieder ganz deutlich: Wenn es nicht gelingt, in den kommenden Jahren die Finanzierung der kirchlichen Krankenhäuser auf solide Beine zu stellen, wird es im Kongo ein großes Krankenhaussterben geben. Und viele Menschen werden ohne Versorgung sein. Die Armut hat weiter zugenommen, der Krieg und die Unruhen leisten dabei ihren Beitrag.

Die kirchlichen Einrichtungen kämpfen damit, dass sie für die Behandlung eine Bezahlung verlangen müssen, weil der Staat keine Zuschüsse gibt und es keine andere Finanzierung gibt. Deshalb sitzen wir zu gemeinsamen Beratungen in Bukavu zusammen: Der Chef des regionalen Gesundheitsministeriums, einige Abgeordnete, Professoren sowie Ärztinnen und Ärzte aus der Allgemeinmedizin der Evangelischen Universität in Afrika. Prof. Ahuka hat eine Studie durchgeführt, die deutlich macht, dass in dieser Region 97% aller ambulanten Behandlungen, die Medikamente und Laboruntersuchungen von den Patienten selbst bezahlt werden müssen, ebenso wie 72% aller stationären Versorgung. Diese Zahlen machen deutlich, dass damit viele Menschen, keinen Zugang zur Versorgung haben.

Prof. Ahuka macht den jungen Medizinerinnen und Medizinern Mut, einmal ganz neu darüber nachzudenken, was getan werden kann, damit die Finanzierung gesichert wird und die Kosten von einer Solidargemeinschaft gemeinsam getragen werden. In diesem Prozess wollen wir nun einen Schritt weiterkommen. Allerdings wird es nicht leicht werden, weil es viele Vorgaben gibt – aber auch Chancen.

Die Beratungen laufen intensiv, die Gruppen arbeiten engagiert, aber werden wir das Startkapital finden? Es gibt neue Technologien, die wir einsetzen wollen, wer wird die Verhandlungen führen? Dr. Mihuhi ist im staatlichen Gremium der Krankenversicherungen. Zusammen mit den Allgemeinmedizinern wird er beauftragt, aktiv zu werden. Das Difäm begleitet das Vorhaben beratend. Und vielleicht kann die Kirche hier noch einmal ganz neu sichtbar werden, wenn sie eine Solidargemeinschaft bildet, die allen gilt. Ich wünsche mir, dass das Ganze gelingt und die vielen jungen und engagierten Fachkräfte ihre Aufgaben wahrnehmen können und dafür einen Lohn bekommen, der zum Überleben reicht.

Wer kann Gesundheit bezahlen?

Heute geht es wieder um 06.30 Uhr los. Wir fahren rauf in die Berge, um dort in der Zone Walungu das Gesundheitszentrum Muku einer Baptistischen Kirche zu besuchen. Unterwegs begegnen uns hunderte Menschen, die auf dem Weg nach Bukavu sind – zur Arbeit, auf den Markt, um dort ihr Gemüse zu verkaufen und eben ein paar kongolesische Francs zu verdienen.

Nach einer wilden Fahrt kommen wir gut am Gesundheitszentrum an. Dr. Emmanuel und sein Team empfangen uns und zeigen uns die Klinik. Dr. Emmanuel ist der einzige Arzt. Jeden Tag entbinden 2-3 Frauen hier und er führt viele Kaiserschnitte durch. Auf der Station begegne ich einer traurigen Frau. Sie hat ihr Kind verloren. Es war ein unerkannter Diabetes in der Schwangerschaft. Ich bin beeindruckt, wie behutsam Dr. Emmanuel mit der Frau in dieser schwierigen Situation umgeht. Der Fall zeigt, dass die chronischen Erkrankungen auch hier im Kongo zunehmen. Daher überlegen wir im Difäm, wie wir die kirchlichen Einrichtungen im Umgang und bei der Behandlung dieser Erkrankungen unterstützen können.

Workshop zur Finanzierung von Gesundheit

Dabei stolpern wir immer wieder über das Problem der Finanzierung. Auch an diesem Krankenhaus in dieser armen Berggegend. Wer hat hier schon 50 Dollar übrig, um sie für eine Krankenhausbehandlung auszugeben? Bei einer komplizierten Sache, wie der Intensivbehandlung einer schweren Diabetikerin und einem Kaiserschnitt, kommen schon mal 200 Dollar zusammen.

In einem Workshop befassen wir uns näher mit diesem Thema. Dr. Emmanuel ist ein junger Arzt. Seit 6 Jahren ist er mit seinem Studium fertig, aber er sieht keine Möglichkeit zur Facharztausbildung: „Das kostet viel Geld, weil man sich an einer Uni einschreiben muss. Wer kein Stipendium bekommt, hat keine Chance.“ Auch das ist etwas, was das Team im Koordinationsbüro der medizinischen Arbeit der Kirchen angehen muss: Wie können gute Karrierestrukturen bei den Kirchen aufgebaut werden. Ansonsten werden sie Ärzte wie Dr. Emmanuel an die großen NGOs verlieren.

Erste Schritte zur Ebola-Prävention

Auch Ebola ist ein Thema, das wir besprechen. Von Goma sind es gerade mal 200km. Daher ist ein guter Schutz vor Infektionen, die Verwendung von Schutzkleidung und der Gebrauch von gechlortem Wasser auch hier im Krankenhaus elementar. Wir besprechen die nächsten Schritte. Den Beginn haben sie gemacht, aber es gibt noch deutlich mehr zu tun.

Medizinische Arbeit der Kirchen

Heute bin ich unterwegs zum Koordinationsbüro der medizinischen Arbeit der evangelischen Kirchen im Ostkongo (Département des Œuvres Médicales). Nach wie vor wird die Gesundheitsversorgung im Ostkongo bis zu 70 Prozent von kirchlichen Trägern wahrgenommen. Ihre Arbeit stellt die Basisversorgung der über 4.6 Millionen Menschen in der Region und ist eine wichtige Ergänzung zu den staatlichen Gesundheitsstrukturen. Das Team begleitet und fördert inzwischen 316 Gesundheitseinrichtungen unterschiedlicher Kirchen, die in der Dachorganisation der evangelischen Kirchen (Eglise du Christ au Congo, ECC) zusammengeschlossen sind. Das Difäm unterstützt die medizinische Koordination der ECC seit mehr als zehn Jahren mit Workshops, Beratung und finanziellen Hilfen.

Wir sind früh losgefahren, kommen aber direkt in einen großen Stau. Ich mache mir keine großen Gedanken, denn das ist in Bukavu meistens so. Aber dann scheint sich nichts mehr zu bewegen und mir fällt auf, dass eine große Gruppe Menschen irgendwo ca. 200 m vor uns, auf der Straße ist. Viele junge Menschen, die aufgebracht sind. Ein Unfall? Es ist keine Polizei da. Also abwarten. Mein Fahrer schließt vorsichtshalber alle Fenster und ich bin froh, dass er eine Zentralverriegelung hat.

Wegezoll für eine Beerdigung

Langsam geht es dann wieder vorwärts. Mir fällt auf, dass die jungen Leute irgendein Bild zeigen, irgendetwas muss passiert sein. „Hast Du 500 kongolesische Francs“, fragt mich der Fahrer? Eine Straßensperre. Die Person auf dem Bild ist wohl verstorben, und so hat man eine Straßensperre errichtet, um das Geld für die Beerdigung zu bekommen. Na ja, noch mal gut gegangen…

Ausstattung für bessere Schwangerenvorsorge

Das Team des Koordinationsbüros nimmt unter anderem Supervisionen in den Gesundheitseinrichtungen wahr: Was gibt es an Personal, haben die Mitarbeitenden die notwendige Ausbildung, welchen Zustand haben die Gebäude, wie sieht die Ausstattung der Einrichtungen aus – und wo gibt es Verbesserungsbedarf? Das Team berät und unterstützt die jeweiligen Einrichtungen bei der Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen. Daneben sind die Mitarbeitenden für den Wiederaufbau zerstörter Gebäude, die Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals und die Versorgung mit essentiellen Medikamenten und Verbrauchsmaterialien verantwortlich. Immer noch gibt es Zeiten, in denen bestimmte Medikamente nicht vorhanden sind. Auch die Finanzierung der laufenden medizinischen Versorgung ist ein wichtiges Thema.

Bei unserer Besprechung ist das Team motiviert und berichtet von den Erfolgen und Schwierigkeiten ihrer Arbeit. Im vergangenen Jahr konnten viele Einrichtungen besser ausgestattet werden: „Es macht einen Riesenunterschied, dass wir jetzt auch ein Ultraschallgerät haben, damit sind unsere Schwangeren besser versorgt und es kommen mehr Menschen zur Vorsorge in die Einrichtung“. Für uns war es spannend, im vergangenen Jahr die medizinischen Geräte in den Ostkongo zu versenden. Mit Hilfe ökumenischer Kontakte verlief alles reibungslos.

Fahrt über Goma nach Bukavu

Nun sind die Koffer wieder gepackt für die nächste Reise. Rose bringt uns zum Flughafen in Bunia. Das Einchecken braucht Zeit, aber der Flieger der lokalen Airline ist pünktlich und wir kommen abends in Goma an – mit einer Zwischenlandung in Beni, dem Epizentrum der Ebola-Epidemie. Die Stadt Goma ging durch die deutschen Medien, weil es dort inzwischen 4 Ebola-Fälle gibt, die aus zwei Infektionsketten hervorgegangen sind. Angesichts des Elends der letzten Tage, der Gewalt und dem Terror, ist das auch für mich relativ.

Goma ist eine Millionenstadt an der Grenze zu Rwanda am Fuße eines Vulkans, die vor fast 20 Jahren durch einen Vulkanausbruch zerstört wurde. Damals gab es viele Tote. Wir spüren in der Stadt nichts von einer Angst vor Ebola, aber hier sind Militär und UN-Präsenz sehr viel sichtbarer. Die Wasseranlagen sind da zum Händewaschen. Hier haben sich neben der UN und ihren Organisationen auch viele große NGOs niedergelassen. Von hier aus planen sie ihre Einsätze – in die Gegenden, die so ganz anders aussehen und von schwerer Armut und Terror geprägt sind, und nun auch mit Ebola kämpfen. Irgendwie passt das, was ich hier sehe, nicht mit der Not zusammen, die ich die letzten Tage in Bunia und Isiro erlebt habe. Es ist fast eine surreale Situation. Aber uns bleibt nicht viel Zeit zum Nachdenken, denn es geht weiter zur letzten Etappe unserer Reise, über den Kivu See nach Bukavu.

Wir sind pünktlich am Hafen um 06:15 und können gleich einchecken für das Schnellboot nach Bukavu. Die ca. 250km legt das Boot in 3 Stunden zurück. Es ist der schnellste Weg nach Bukavu. Es ist eine ruhige und sonnige Fahrt über den See. Die Berge ringsherum lassen einen die Schatten der vergangenen Tage fast vergessen.

Schiffshafen in Bukavu (Bukavu Port)

Und dann legt das Schiff an. Der Hafen in Bukavu ist völlig zugeparkt. Eine Militärdelegation ist gerade unterwegs, aber auch sonst ist an diesem Montag in der ganzen Stadt viel Betrieb. Menschen, Motorräder und Autos überall. Dr. Mihuhi schlängelt sich gekonnt zwischen allen durch. Wir werden im Guesthouse der Evangelischen Universität in Afrika aufgenommen und dann geht es auch schon ins Panzi-Hospital, wo wir den Friedensnobelpreisträger Dr. Denis Mukwege treffen wollen.

Das SWR-Team soll in der Woche hier filmen und dafür müssen die Vorbereitungen getroffen werden. Für mich geht es darum, mit unseren Projektpartnern zu sprechen und zu sehen, wo sie stehen und wie die Arbeit weitergehen kann.

Im Panzi-Krankenhaus bei Dr. Denis Mukwege

Der Tag im Panzi-Krankenhaus beginnt immer früh am Morgen. Bei der täglichen Andacht treffen sich Mitarbeitende und Patientinnen und Patienten zum Singen und Gebet. Mir gefallen die tollen selbstgemachten Rhythmusinstrumente aus einer Milchpulverdose, die mit Reiskörnern oder Bohnen gefüllt sind. Die Frauen sind fröhlich und es zeigt sich, wie ihr Glaube ihnen Kraft und Rückhalt gibt. Heute darf sogar eine Frau predigen. Etwas ganz besonderes hier im Kongo.

Denis Mukwege hat heute seinen OP-Tag. Es stehen 11 Operationen auf dem Programm, die er sich mit seinem Team aufteilt. Wieder sind Frauen dabei, die mit Fisteln kommen. Die erste Frau operiert er nun zum 4. Mal. Bei diesen schweren genitalen Verletzungen braucht es manchmal mehrere Operationen. Aber inzwischen haben sie auch am Panzi-Hospital endoskopische Möglichkeiten und können bessere Resultate erzielen. Die jungen Gynäkologen im Team von Dr. Mukwege sind gut ausgebildet und halten die Arbeit aufrecht, wenn er auf seinen vielen Reisen nach dem Friedensnobelpreis unterwegs ist.

Auf meinem Weg zum Kompetenzzentrum Denis Mukwege, das Gewaltursachen erforschen und Frauen aus- und weiterbilden soll, komme ich bei den Patientinnen vorbei, die gerade Frühstück bekommen. Auch das trägt mit zu einem guten Heilungsprozess bei. Dann beginnt für mich die Arbeit mit dem Team von Dr. Furaha, der Leiterin des Kompetenzzentrums. Gemeinsam beraten wir, wie die Arbeit weiterentwickelt werden kann und welche Strukturen dazu notwendig sind. Toll, wenn sich junge Menschen für etwas einbringen.

In der Not ein Zeichen setzen

Heute Morgen geht es sehr früh schon los. Wir wollen in ein Flüchtlingscamp nahe der Stadt Bunia, wo wir mit unseren Partnern von MUSACA ein Nothilfeprogramm für Geflüchtete unterstützen. Seit einigen Wochen gibt es wieder einen unglaublichen Zustrom von Geflüchteten in der Stadt.

Rose Mumbere, die Leiterin von MUSACA, hat mit ihrem Team dort eine Notfallversorgung aufgebaut. Ich erwarte ein Flüchtlingscamp mit improvisierten Zelten, wie wir es auch im letzten Jahr gesehen haben. Und dann hält das Auto vor einer Kirche. Wir gehen rein und treffen auf einige 100 Geflüchtete, darunter viele Mütter mit ihren Kinder und Schwangere, aber auch einige Männer. Seit 2 Monaten leben die Menschen hier. Sie erhalten Reis, Öl und Bohnen vom Welternährungsprogramm, aber ansonsten fehlt ihnen alles. Es gibt kaum genug zu essen und zu trinken, auch die medizinische Versorgung ist notdürftig. Die Menschen schlafen auf dem Lehmboden der Kirche. Einige haben einen Reissack auf dem sie sich hinlegen, ein paar haben sich auf den wenigen Kirchenbänken eine Lagerstatt zusammengebaut.

Flucht in den Wald

Bei den Kindern fallen mir die dicken Bäuche und die geschwollenen Füße auf, Zeichen schwerer Mangelernährung. Eine Frau ist hochschwanger, sie zeigt uns ihre Lagerstätte: ein kleiner Reissack, auf dem sie mit ihren beiden kleinen Kindern die Nacht verbringt. Die Spuren des Regens der vergangenen Nacht sind noch zu sehen. Sie hat nur die Kleider, die sie trägt. Das eine Tuch, das sie besitzt, ist einmal Tragetuch für die kleine Grace, einmal Bettdecke, und dann wieder der eigene Rock. Sie sieht unterernährt aus und erzählt uns: „Im ersten Krieg habe ich meine Eltern verloren, in diesem Krieg sind zwei meiner Kinder gestorben und jetzt sind die Rebellen in unser Dorf gekommen. Sie haben die Häuser angezündet und Menschen getötet mit Macheten und Gewehren. Ich bin einfach mit den Kindern in den Wald geflohen. Ich weiß nicht, wo mein Mann ist. Ich habe seit der Flucht kein Lebenszeichen von ihm.“ Mir wird es schwer ums Herz.

Vergessenes Leid

Der Chef der Geflüchteten zeigt uns, wo die Menschen eigentlich unterkommen sollen. Auf einem Feld haben sie sich kleine notdürftige Bambuszelte gebaut. Aber niemand hat bisher die Planen gebracht. Es sind nur 4-5 qm pro Zelt, aber immerhin wäre es etwas. Aber es scheint, dass diese Menschen vergessen wurden. Seit über einem Monat warten sie darauf, aus dieser Kirche auszuziehen.

MUSACA ermöglicht immerhin jeden Tag den Transport in die Klinik, damit alle Kranken behandelt werden. Das Difäm hat für die Schwangeren und Kleinkinder die Kosten übernommen. Beim Besuch der Klinik werden einige der Kinder stationär aufgenommen. Zumindest eine kleine Erleichterung für sie und die Mütter.

Warum greift niemand ein?

Aber was passiert hier eigentlich? Warum greift die UN nicht ein, die in Bunia stationiert ist? Hier sieht man keine Blauhelme, keine Soldaten: es sind die Dorfchefs, die die Registrierung der Geflüchteten vornehmen. Es sind die Kirchen, die ihre Räume und Schulen zur Verfügung stellen. Das Welternährungsprogramm gibt Essensrationen aus. Und dann?

Und wer sind diese Rebellen? Wer bezahlt sie und rüstet sie mit Waffen aus? Warum greift keiner ein? Es bleiben sehr viel offene Fragen. Aber das darf uns nicht davon abhalten, das zu tun, was wir tun können, als Mitmenschen, als Christen. Daher werden wir als Difäm die Nothilfe für die Geflüchteten weiter unterstützen. Wir wollen ein Zeichen setzen, mitten in dieser Not.

Aber wir wollen auch nicht schweigen und die Welt darauf aufmerksam machen, was hier geschieht. Deshalb bin ich froh, dass ich dieses Mal Begleitung von einer SWR-Journalistin habe. Sie nimmt die Bilder mit und hoffentlich werden wir wenigstens in Deutschland mehr tun, als bisher.

Ebola-Prävention wirkt

Am Nachmittag besuchen wir eine Krankenversicherungsgruppe von MUSACA in Rwampara. Im letzten Jahr, als ich da war, habe ich mit dem Arzt des lokalen Krankenhauses darüber gesprochen, wie er seine Klinik vor Ebola schützen kann. Damals mussten die Frauen das Wasser zum Händewaschen von einem Brunnen holen, der 30 Minuten weg war. Es waren kaum Patienten da, weil die Menschen Angst vor einer Ebola-Ansteckung hatten.

Tatsächlich wurde mit unserem Ebola-Programm hier eine Wasserversorgung eingerichtet. Die Triage zur medizinischen Ersteinschätzung am Eingang ist gut und sicher eingerichtet und es gibt eine provisorische Isolierstation für die Verdachtsfälle.

Der Arzt berichtet von einem Ebolafall in Rwampara. Aber es ist alles gut kontrolliert worden. Niemand hat sich angesteckt und es gab keine weiteren Fälle. „Und jetzt haben die Menschen wieder den Mut hierherzukommen und sich behandeln zu lassen, weil es gechlortes Wasser gibt“. Der Plan von MUSACA ist nun, mit dem Krankenhaus einen Versorgungsvertrag abzuschließen, denn zumindest die Geflüchteten könnten hier gut versorgt werden.

Zum Abschied gibt es noch ein besonderes Geschenk: Eine Ziege soll mitkommen, als Dank der Bevölkerung für das Wasser. Eine tolle Geste. Ich lasse sie dann bei Rose Mumbere, die sich sehr darüber freut.

Selbst die eigene Gesundheitssituation in die Hand nehmen

Nach all den Erfahrungen dieser Woche, nach den Berichten von Krieg und Vertreibung und den Begegnungen mit Menschen, die nur noch das haben, was sie auf dem Leib tragen, frage ich mich schon: „Kann man angesichts dieser Not, jetzt einen Workshop machen?“ Aber unsere Partner von MUSACA und CECA 20 sind ganz überzeugt: Genau das brauchen wir jetzt.

ASSET ist ein Ansatz für die Arbeit mit Gemeinden, der davon ausgeht, dass jede Gemeinde und jede Gemeinschaft Ressourcen hat, die sie einsetzen kann (ASSETS), damit sich ihre Gesundheitssituation verbessert. Wir haben diesen Ansatz schon in einigen Ländern eingesetzt, auch im Rahmen der Ebola-Epidemie in Westafrika, und nun soll er auch hier im Kongo eingesetzt werden.

Ich arbeite mit gemeinsamen Aufgaben und Rollenspielen. Dabei bauen wir auf den Grundlagen unserer biblischen Werte auf und sammeln die Werte, die heute hier in den Gemeinden im Kongo wichtig sind: Gerechtigkeit, Gemeinschaft, Solidarität, Respekt, Transparenz und vieles andere. Und hier setzt der Ansatz ein: Das Entdecken der eigenen Werte und Ressourcen und das Lernen, die Ressourcen in der eigenen Gemeinschaft zu nutzen und weiterzuentwickeln.

In unserem Workshop entstehen gut Gespräche: „Bisher sind wir immer hingegangen und haben den Menschen im Dorf gesagt, wie sie sich vor Ebola schützen können oder was sie machen müssen, damit weniger Schwangere sterben. Aber wir haben uns nie die Zeit genommen, um zu entdecken, was die Menschen eigentlich wirklich bewegt“. „Appreciation“ – Wertschätzen, was da ist, es zu stimulieren, es einzusetzen, die Schwachen zu stärken, die Menschen zu bemächtigen und am Ende darauf zu vertrauen, dass echte Veränderung entsteht – eine Transformation. Und das ist das Ziel des Workshops: Dass die Gemeinden selbst agieren und nicht auf externe Hilfe warten.

Internationale Interesse an Gold, Coltan & Erdöl fördern Konflikte

„Wenn Elephanten streiten, dann wächst kein Gras mehr“, auf dieses Afrikanische Sprichwort, weist mich ein Pastor hin, der sich seit langem mit dem Konflikt hier in Ituri befasst. Am Abend haben wir die Gelegenheit mit ihm zu sprechen. Reverend Byensi arbeitet mit der evangelischen Kirche CECA 20, mit der wir im medizinischen Bereich arbeiten. Er ist in Bunia aufgewachsen und lebt mit seiner Frau und Kindern hier. „Ich will mich jetzt ganz auf die Friedensarbeit und Verständigung konzentrieren. Wir müssen in den Dialog miteinander treten – und wer kann das besser, als wir als Kirchen“. Die CECA 20 hat ihn nun für diesen Dienst freigestellt und er beginnt ein neues Netzwerk: Die „Rebuilders“ (Wiederaufbauer).

Er erzählt, wie er vor ein paar Wochen mitten in der Region war, wo die Vertreibung und das Töten begonnen hat. Viele Menschen leben im Wald, aus Angst vor den Rebellen. Andere kommen nach Bunia als Binnenflüchtlinge. Einige von ihnen haben wir getroffen. Er berichtet von dem alten Stammeskonflikt, den es in der Region seit 1912 gibt. Schon in der Kolonialzeit gab es Probleme zwischen den Lendus und den Hemmas. 1999 brach dieser Konflikt wieder aus. Aber es kam zu einer Verständigung zwischen den Volksgruppen. Also warum gibt es jetzt diese unglaubliche Gewalt? „Wir wissen es nicht, denn es gibt keinen Grund dafür. Aber es gibt politische Interessen, die diesen alten Konflikt nutzen und schüren. Und es gibt ein internationales Interesse an den Ressourcen in dieser Region. Es gibt hier vor allem Gold, aber auch Uran, Coltan, Erdöl und Diamanten. „Wenn das Chaos herrscht, profitieren andere davon“. Es ist so, wenn die „Elephanten streiten, dann leidet das Gras“. Mir scheint, wir erleben das gerade. Werden hier wirtschaftliche und politische Interessen auf dem Rücken der Menschen ausgetragen?

Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass die Menschen, die in dieser Region so unsagbar leiden, Unterstützung bekommen. Direkt, durch die Arbeit vor Ort, aber auch dadurch, dass wir das Unrecht ansprechen. Das Difäm ist sehr klein, aber wenn die Kirche als Ganzes ihre Stimme erhebt, dann hat das schon eine Bedeutung. Und wir wollen beten, dass sich die Situation ändert. „Die Menschen hier sind verzweifelt und viele fangen an zu fragen, ob Gott sie vergessen hat. Manche haben ihren Glauben verloren oder stehen davor“, so Reverend Byensi. Er weiß sich von Gott an diese Stelle gestellt. Wir können Menschen wie ihm und Rose Mumbere mit ihrer Arbeit, den Rücken stärken. Wenigstens das.

Hoffnung für Frauen

Heute bin ich im Krankenhaus in Rwankole. Der leitende Arzt Dr. Claude hat dort mit der Fistelchirurgie für Frauen begonnen. Die Fertigkeit hat er im Panzi-Krankenhaus bei Denis Mukwege in Bukavu gelernt. In diesem Jahr hat Dr. Claude bereits 67 Frauen mit den Verletzungen im Genitalbereich operiert. Bei 17 komplizierten Operationen hatte er Unterstützung von einem Team aus dem Panzi-Krankenhaus. Das Difäm unterstützt diese OP-Wochen, damit die Frauen zur Klinik kommen und operiert werden können – und zu einem selbstbestimmten Leben zurückfinden.

Ausgestoßen mit 6 Jahren

Dass dabei immer wieder die Gewalt auch ein Thema ist, ist furchtbar. Wir treffen die 6-jährige Faraha mit ihrer Mutter. Das kleine Mädchen wurde im Dorf vergewaltigt und keiner konnte ihr helfen. Sie war mit sechs Jahren eine Ausgestoßene, weil sie Stuhl und Urin verlor. Jetzt konnte sie am Rwankole Krankenhaus operiert werden. Die Mutter strahlt über das ganze Gesicht: „Faraha hat wieder Spielkameraden, sie ist wieder wie früher. Danke, dass ihr das ermöglicht habt.“ Die Kleine macht einen aufgeweckten Eindruck. Ich wünsche ihr sehr, dass dieses Erlebnis keine bleibenden Schäden zurücklässt. Doch ich bleibe betroffen zurück, wie kann man solche Gewalt an einem Kind ausüben. Wer steckt dahinter?

Gewalt, Zerstörung und die Ebola-Epidemie

Nach einem Abschlussgespräch am Morgen mit der Kirchenleitung der evangelischen Difäm-Partnerkirche CECCA 16 geht es zum Flughafen. Kongo Airways bringt mich nach Bunia. Das Einchecken braucht viel Zeit, denn die Internetverbindung funktioniert nur holprig. Also sind es nicht 1-2, sondern knapp 5 Stunden, die man vorher am Flughafen sein sollte.

Aber der Flughafen ist nicht weit von der Stadt entfernt und so fahren wir nach dem Einchecken noch mal zum Chef des Gesundheitsminsteriums der Provinz, der am Flughafen Gäste von UNICEF abholt. Dann geht es los in Richtung Bunia an. 

Begleitung eines Filmteams

In Bunia angekommen treffe ich Susanne Babila und ihr Filmteam vom SWR in Stuttgart, die mich auf der weiteren Reise begleiten werden. Gemeinsam stellen wir uns zuerst bei den Autoritäten von Kirche und Staat vor. Es hat in der Nacht gewittert und regnet unaufhörlich, dazu ist es kalt geworden und ich brauche alle meine warmen Kleider um den Tag durchzustehen.

Auf dem Weg zum Kirchenpräsidenten fallen mir einige große neue Häuser auf. Was ist hier los? Wir hören in den Medien doch von all den Flüchtlingen und der Not in Bunia? Ich frage bei unseren kongolesischen Partnern nach: „Hier hat sich ein Erdöl-Händler ein neues Hotel gebaut“. Das wir hier in einem Erdölgebiet sind, ist mir neu.

Dinge offen ansprechen

Der Besuch beim Kirchenpräsidenten einer weiteren Partnerkirche des Difäm, CECA 20, und seinem Stellverteter wird zu einer sehr interessanten Begegnung. Reverend Pilo ist seit einem Jahr in diesem Amt und begrüßt uns herzlich. Dann frage ich ihn: „Wie sieht es in Bunia aus? Wie geht es Ihnen?“ Und da erzählt er, wie die Zahl der Geflüchteten jeden Tag steigt, wie ganze Gegenden mit Gewalt ‚geräumt‘ werden. Er berichtet von Angreifern, die Straßensperren errichten. „Und dann beginnt das Töten und die Zerstörung. Sie tragen alle die gleiche Uniform, sie haben neue Waffen und wir wissen nicht, wer sie sind. Und junge Männer in den Dörfern werden bezahlt, um zu töten.“ Ich kann kaum zuhören. Mir kommen die Tränen. Wie unsagbar leiden die Menschen hier? Und die große Frage bleibt: Wer steckt dahinter? Wer steuert diese Vertreibung?

Ich bin tief betroffen, aber auch unglaublich berührt, weil diese Kirchenleitung den Mut hat, die Dinge anzusprechen. Und es wird deutlich: Ohne ihren Glauben, ohne das Wissen, dass hier doch noch jemand ist, der sie nicht vergessen hat und der ihnen jeden Tag den Mut und die Kraft gibt, weiterzumachen, ohne das, könnten sie hier nicht weiterleben.

Wir gehen mit vielen offenen Fragen aus diesem Gespräch heraus. In dieser Woche, werden wir die Vertriebenen treffen und vielleicht bekommen wir dann doch die eine oder andere Antwort. Jedenfalls sind wir an einem ‚Hotspot‘ des Konfliktes im Kongo. Und daneben gibt es dann noch die Ebola-Epidemie. Angesichts des Terrors und der Vertreibung kann ich verstehen, warum die Epidemie in der lokalen Gesellschaft keine hohe Priorität hat.

Bezahlbare Gesundheitsversorgung

Auch nachmittags regnet es. Für die Fahrer ist es eine Schlammschlacht. Aber wir lassen uns nicht beirren. Es geht raus in einen Stadtteil von Bunia, wo wir die Mitglieder von unserer Partnerorganisation MUSACA treffen. Der Name MUSACA steht für Mutuelle de Santé Canaan. Das Team hat eine Krankenversicherung ins Leben gerufen, die eine bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle Menschen ermöglichen soll.

Der einzige Platz, der vor dem Regen sicher ist, ist die lokale Kirche. Ein einfacher Lehmbau – und gleichzeitig das Zentrum des sozialen Lebens. Die Versicherungsmitglieder erzählen uns ihre Geschichten: „Ich konnte vorher nie einen Arzt aufsuchen, weil ich mir das nicht leisten konnte. Aber nun werde ich von einem Arzt behandelt, wenn ich krank werde“, erzählt eine junge Frau. Bei ihren Erzählungen spürt man, wie die Versicherung ihnen Selbstbewusstsein und Würde gibt, weil sie nicht mehr Bittsteller sind. Das Difäm unterstützt MUSACA durch die Übernahme der Verwaltungskosten. So können die 10 Dollar Jahresbetrag komplett in die Krankenversorgung fließen.

Wir treffen auch den traditionellen Dorfführer, der uns gleich mit einer Bitte empfängt: „Unser Gesundheitszentrum hier hat kein fließendes Wasser“. Die Frauen, die dabei sind, wiederholen die Bitte immer wieder: „Wir müssen nachts aufstehen, zum Wasserholen gehen. Das ist gefährlich. Schon öfter ist eine Frau dabei vergewaltigt worden. Bitte helft uns, dass wir hier ein Bohrloch bekommen, damit wir Zugang zu Trinkwasser haben.“ Wir nehmen ihre Bitte mit, als wir gehen.

Motorrad statt Krankenwagen

Nach Sonnenaufgang brechen wir an diesem Tag auf, um nach Boma Mamgbetu zu fahren und das Distriktkrankenhaus der evangelischen Kirche CECCA 16 zu besuchen. Bei meinem letzten Besuch vor 10 Jahren gab es nur Lehmhütten und Strohdächer. Neben diesen alten provisorischen Bauten gibt es hier inzwischen immerhin zwei Gebäude aus Stein.

0,1 Cent für Krankentransport

Die Straße ist gut ausgebaut, bis ca. 10 km vor Boma. Für die ersten 40 km brauchen wir 50 Minuten, für die nächsten 10 km ebenso 50 Minuten – an einer Stelle brauchen wir den vollen Allradantrieb, um durchzukommen. Hier wird mir wieder bewusst, wie wichtig eine Straße sein kann und wie sie alles verändert: Die Menschen siedeln sich schnell an, kommen aus den Dörfern im Busch, es wird Handel betrieben und man erreicht im Notfall schnell die nächste Gesundheitsstation.

Abseits dieser Straße sehen die Wege jedoch ganz anders aus. Da das Gelände für einen Krankenwagen unpassierbar wären, ist das Team vom Boma Krankenhaus mit zwei Motorrädern im Einsatz, um Schwangere und Schwerkranke ins Krankenhaus bringen zu können. Das Ganze finanziert sich dadurch, dass bei jeder Behandlung 100 kongolesische Franc (etwa 0,1 Cent) abgezogen werden.

Neben den Motorradtaxis gibt es auch Fahrradtaxis. Sie haben sich das Fahrrad mit Bambus verstärkt und transportieren Personen, aber auch große Mengen an Holz, Öl, Benzin oder was man sonst zum Leben braucht.

Markttag und Schulabschlussfeier

Nach einer Strategieberatung für das Koordinationsbüro der Medizinischen Arbeit der Kirche mache ich abends noch einen Spaziergang durch das Dorf. Heute war Markttag und viele sind jetzt auf dem Weg nach Hause. Die Frauen haben viel Gemüse in ihren Taschen und Körben, dazwischen mal Bananen und dann vor allem Palmöl. Die Bananenblätter dienen als Teller und darin werden auch Bananen oder Gerichte mit Mais- und Manjo gekocht.

An diesem Abend sind viele junge Leute unterwegs, mit viel Gehupe auf ihren Motorrädern. Es gibt Grund zu feiern: Sie haben die 10. Klasse geschafft und zur Feier des Tages streut man sich Mehl oder Puder – jedenfalls etwas weißes – über den Kopf. Und der kleine Bruder und die stolze Mama machen auch gleich mit. Wie es für sie weitergehen wird? Immer wieder wird deutlich, wie beschränkt die Möglichkeiten sind. Dass jemand von ihnen den Sprung in eine der großen Städte macht, an eine Universität darf: Eher die große Ausnahme.

Dr. Felicité hat mich eingeladen, doch noch kurz bei ihr vorbeizuschauen. Dr. Felicite ist Ärztin und arbeitet seit vielen Jahren am Krankenhaus. Ihre Kinder haben es geschafft, sie haben ihre Ausbildung meist fertig oder sind bereits in Anstellung. Einer von ihnen wartet noch auf einen Platz für ein Masterstudium in Informatik.

Besuch im Krankenhaus von Nebobongo

Auf dem heutigen Programm steht die Besichtigung des Krankenhauses von Nebobongo. Der OP ist gut eingerichtet und alle Stationen sind mit Solarstrom ausgestattet. Einige Gesichter der Mitarbeitenden kenne ich noch von meinem Besuch vor 10 Jahren. Viele junge Fachkräfte sind dazugekommen. Stolz zeigt mir der Pharmazeut seine Krankenhausapotheke. Er wurde vom Difäm als Pharmazeutisch-Technischer Assistent (PTA) ausgebildet und versorgt nun das 100-Bettenkrankenhaus mit allem, was nötig ist.

Im Laborgebäude, das wir hier vor einiger Zeit gebaut haben, haben alle diagnostischen Einheiten einen Platz gefunden: Die Laborräume, die Beratungsstelle für HIV und der Ultraschall. Nur das alte Röntgengerät hat seinen Geist aufgegeben. Schade, wenn man alte Geräte, die niemand warten kann, über den Ozean schickt. Für den Transport hätte man ein neues einfaches Gerät kaufen können, dass lokal gewartet werden kann.

Seit die Straße gebaut ist, hat die Zahl der Verkehrsunfälle drastisch zugenommen. Ein kleines Mädchen mit beidseitigen Unterarmfrakturen und einer Kopfverletzung ist ein Beispiel dafür. Eigentlich müsste man jetzt eine Orthopädie aufbauen. Der OP hätte einige Grundvoraussetzungen dafür, aber dazu braucht es ein gutes Röntgengerät und einen Orthopäden, der das Fachwissen mitbringt.

Beim Besuch der Chirurgie stellt mir Dr. Amani den jungen Benjamin vor: Er ist 15 Jahre alt und hatte sich beim Fußballspielen eine Oberschenkelfraktur zugezogen. Leider wurde er zum traditionellen Heiler geschickt, der ihm eine Holzschiene verpasst hat und dabei die Durchblutung des Beines abgeschnitten hat. Benjamin kam mit einer schweren Sepsis im Krankenhaus an. Man versuchte das Bein zu retten, es war aber zu spät. Es blieb nur die Oberschenkelamputation. Was das für einen jungen Menschen in diesem Land bedeutet, kann man nur erahnen.

Nema ist ein kleines Mädchen, das wir im Dorf sehen. Sie hat einen Klumpfuss und sollte dringend operiert werden. Leider gibt es dafür in der gesamten Provinz keine Einrichtung, die das kann. Sie ist schon 5 Jahre alt und leidet an den Konsequenzen ihrer Behinderung. Ohne korrektive Operationen wird sie ein schwieriges Leben vor sich haben. Dr. Jean Claude wird in Kampala in Uganda nachfragen, ob die Orthopädische Klinik der Christophel Blinden Mission weiterhelfen kann. Für die Eltern von Nema wäre das eine Weltreise.

Austausch in der Krankenpflegeschule

Den Rest des Vormittags findet ein intensiver Austausch mit der Krankenpflegeschule statt. Die Schüler haben seit zwei Wochen Ferien, aber das Kernteam ist da. Es gilt die neuen Kurse für September vorzubereiten. Voraussetzung für die Ausbildung ist das 10. Schuljahr. Aufgebaut wurde die Ausbildung vor über 50 Jahren auf Kisuaheli. Der Gründer der Schule wurde beim Mai-Mai Aufstand 1964 entführt und getötet. Aber man hat nie aufgegeben. Seit den 80iger Jahren wird in Französisch unterrichtet und 2008 wurde die Schule auf das Level A2 hochgestuft. Das Level entspricht einer 4-jährigen Ausbildung und damit der deutschen Gesundheits- und Krankenpflegerausbildung. Vor einigen Jahren kam die Hebammenausbildung dazu. Und heute gibt es auch eine Ausbildung zum Medizinisch-Technischen Assistenten (MTA). Inzwischen ist die Regierung auf diese Schule aufmerksam geworden. Der Medizinische Leiter der Provinz will diese Schule nun zu einem Pilotprojekt machen, um neue Unterrichtsmethoden einzuführen und zu besseren Ergebnissen zu gelangen. Eine Chance, für die es wiederum viele Anforderungen gibt. Wir verbringen ein paar intensive Stunden, und überlegen gemeinsam, wie man hier am besten vorgeht.

Bei einem kurzen Rundgang durch die sehr renovierungsbedürftigen Klassenzimmer und den Wohnraum der Studenten begegnet mir Viktor, ein 24-jähriger Krankenpflegeschüler. Er ist im 2. Jahr und bleibt während der Ferien hier: „Ich wohne 340 km weit weg, es ist unmöglich dahin zu reisen. Daher bleibe ich hier und bestelle meinen Garten. Das reduziert Kosten, wenn wir wieder mit der Ausbildung beginnen.“ Viktor möchte später gerne in der Chirurgie arbeiten. Seine Eltern sind einfache Bauern und er hat durch die Kirche von dieser Ausbildung erfahren. Man spürt, dass für ihn schon der Schritt aus seinem Heimatdorf, das noch abgelegener ist als Nebebongo im Norden des Landes, ein großer Schritt nach vorne ist. Auf jeden Fall will er seine Chance nutzen. Er ist einer von 30 Stipendiaten, die das Difäm an der Schule fördert. Wenn ich ihn so sehe, dann weiß ich, dass das Geld gut angelegt ist, wenn junge Menschen, die überhaupt keine Perspektive haben, hier eine Ausbildung bekommen. Es ist eine kleine Schule, weit weg von den Zentren dieser Welt, aber sie schafft Möglichkeiten für junge Menschen, Wege aus der Armut finden und dabei einen wichtigen Beitrag für ihr Gesundheitssystem zu leisten. Ich wünsche mir, dass Viktor den Sprung in eine Anstellung schafft, sein neu gewonnenes Wissen einsetzen und damit hoffentlich auch mal eine Familie ernähren kann.