Einst gefährlichste Hauptstadt der Welt

Um einen Eindruck von der Landeshauptstadt zu erhalten, machen wir eine kleine Stadtrundfahrt. Monrovia erstreckt sich über eine weite Fläche und liegt an der Mündung des Saint Paul Rivers in den Atlantik. Die Stadt zählt über 1 Million Einwohner, also knapp ein Viertel aller Einwohner Liberias.

14 Jahre Bürgerkrieg haben ihre Spuren hinterlassen. Gegründet 1822 von befreiten amerikanischen Sklaven, war Liberia als „Land der Befreiten“ seit 1847 eines der ersten unabhängigen Länder Afrikas – und politisch lange Zeit vergleichsweise stabil.

Doch von 1989 bis 2003 bekämpften sich Regierungstruppen und Rebellen, darunter viele Kindersoldaten. Rund 250.000 Tote, eine Million Geflüchtete, humanitäres Chaos, Hunger, eine unterbrochene Strom- und Wasserversorgung und eine Cholera-Epidemie waren die Folgen der Gräueltaten, Ritual- und Massenmorde.

Wir fahren durch die als Shanty towns bezeichneten Slums und vorbei an kleinen dicht gedrängten Hütten und Häuser mit Wellblechdächern. Vor vielen Häusern haben die Menschen Marktstände aufgebaut und versuchen Gemüse, Teigwaren oder Kleidung zu verkaufen, um zu überleben.

Nur wenige Straßen sind geteert. Viele Menschen sind unterwegs, nur Touristen sieht man keine. Zu den größten Problemen Liberias gehört die kaum geregelte Müllentsorgung und ein fehlendes Umweltbewusstsein. Plastikmüll liegt überall in den Straßen, Teile werden auf offener Straße verbrannt.

Am Schluss fahren wir noch zum Ducor Palace Hotel. Das Intercontinental Hotel wurde in den 1960er Jahren als Luxushotel auf dem höchsten Punkt der Stadt gegründet. In diesen Jahren blühte Liberia, exportierte Nahrungsmittel, Erze und Gummirohstoff in die ganze Welt. Das Ducor hatte fünf Sterne, als eins von wenigen Hotels in ganz Afrika. Bei der Einweihung nahm neben dem Präsident von Sierra Leone auch die israelische Außenministerin Golda Meir teil. Während seiner Betriebsjahre gab es hier wichtige Treffen zwischen afrikanischen Führern. Der ugandische Diktator Idi Amin, Muammar al-Gaddafi und der ehemalige Machthaber Robert Mugabe aus Simbabwe sollen hier genächtigt haben.

Heute ist das geschichtsträchtige Gebäude des Ducor Hotels durch den Bürgerkrieg, Plünderungen und Besetzungen weitgehend verfallen. Es gibt kein einziges Fenster mehr und keine Türen. Aber der Ort hat für mich etwas geheimnisvolles und zugleich unheimliches. Und irgendwie kann ich mir die einstige Pracht und Dekadenz dieses Ortes gut vorstellen.

Schrecken der Vergangenheit

Nach 16 langen Stunden Reise sind wir gestern endlich in der liberianischen Hauptstadt Monrovia angekommen.

Während mein Kollege Olaf Hirschmann mit dem Managementteam unserer Partnerorganisation, der Christian Health Association of Liberia (CHAL), den bevorstehenden Projektabschluss bespricht, steht für mich am ersten Tag in Monrovia ein Besuch im katholischen Krankenhaus Saint Joseph’s auf dem Plan. Das Missionskrankenhaus gilt als das älteste Krankenhaus Liberias. Es ist eine der Gesundheitseinrichtungen, die aufgrund der Folgen der Ebola-Epidemie seine Arbeit einstellen mussten. Mittlerweile ist Ebola nur noch ein Schrecken der Vergangenheit, die Handwaschvorrichtungen mit Desinfektionsmittel sind schon zumeist aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Über der Eingangstür des Saint Joseph’s erinnern heute nur noch Personenporträts an die Mitarbeitenden, die nach einer Ebola-Infektion starben. Heute werden in dem 141 Betten-Krankenhaus neben Infektionskrankheiten wie Malaria und Tuberkulose immer häufiger auch nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes und Herzkrankheiten behandelt. Und in den verschiedenen Abteilungen, der Chirurgie, der Inneren Medizin und auf der Kinderstation werden medizinische Fachkräfte ausgebildet und auf die Arbeit im Krankenhaus vorbereitet.

Begleitet werde ich bei meinem Besuch von Lawrence, dem Kommunikationsbeauftragten unserer Partnerorganisation. Die Christian Health Association of Liberia arbeitet ähnlich wie das Diakonische Werk und ergänzt das staatliche Gesundheitssystem. Das Gesundheitsnetzwerk unterstützt seine christlichen Mitgliedseinrichtungen durch den Aufbau von Fachexpertise, der Verbesserung der Medikamentenversorgung und durch enge fachliche Begleitung. Das katholische Krankenhaus Saint Joseph’s ist eines der 66 Mitgliedskrankenhäuser und -gesundheitszentren von CHAL im ganzen Land.

Nach einer Besprechung im Büro von CHAL geht’s noch in das CHAL-Mitgliedskrankenhaus Cooper Adventist Hospital und dessen Augenklinik, die von CHAL initiiert und mit der Christoffel Blindenmission umgesetzt wurde. Das Krankenhaus wurde infolge des Bürgerkriegs von 1980 geschlossen. Heute ist es besonders aktiv in Impfprogrammen.

Als kleines Gastgeschenk haben wir noch Schokoladenostereier mitgebracht. Die verteilen wir noch und werden anschließend ins Guesthouse gebracht. Nach einem abendlichen Spaziergang zum Atlantik durch ein kleines Dorf und vorbei an Obst- und Kleiderständen gehen wir den Plan für den nächsten Tag durch und verabschieden uns.