Abschied nach einer eindrücklichen Reise

Bevor wir uns am letzten Tag verabschieden, fahren wir noch in den nahe gelegenen Distrikt Todee und besuchen zwei weitere Dörfer.

Die Dorfgemeinschaften wollen zusammen mit der Christian Health Association of Liberia (CHAL) ebenfalls ihre Gesundheitssituation verbessern. Tatsächlich sehe ich weit und breit keinen Müll herumliegen und der Bau von Toiletten ist bereits in vollem Gange. Auch hier wird die Wäsche nicht mehr auf dem Boden getrocknet, wo Tiere drauf herum laufen können, sondern über aufgehängte Stangen.

Während die eine Gemeinde eine Frau als Gesundheitsbeauftragte ernannt hat, sehe ich in der anderen Gemeinde keine Frauen in unserem Kreis. Ich frage nach. Die Antwort ist, sie könnten weder schreiben noch lesen. Aber ihre Themen würden aufgenommen und diskutiert. Als wir die Frauen auf besondere weibliche Themen und dringliche Probleme ansprechen, wird uns versichert, es gäbe keine. Bei unserer Weiterfahrt sehe ich jedoch viele Schilder mit Aufforderungen gegen Gewalt an Frauen.

Ein Problem, das uns geschildert wird, war die schlechte Zusammenarbeit mit der nahe gelegenen Gesundheitsstation. Durch Überbelastung und fehlendem Wissen wurden Patientinnen und Patienten vernachlässigt oder grob behandelt. Deshalb hatten die Dorfbewohner irgendwann kaum mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen. Daraufhin hatten Sozialarbeiter von CHAL moderierte Gespräche und Schulungen durchgeführt und kleine Entlohungen für die Gesundheitsfachkräfte bereit gestellt. Mittlerweile hätte sich die Situation geändert und die Menschen würden wieder in die Station gehen.

Als wir ankommen, sind keine Patienten in der Gesundheitsstation. Aber wir werden herumgeführt und sehen die gut sortierten Patientenakten und die Vorrichtung für Solarstrom, mit dem sie das Licht und den Kühlschrank betreiben.

Zurück im Büro verabschieden wir uns von allen Mitarbeitenden von CHAL. In wenigen Stunden geht unser Flieger. Im Mai wird Difäm-Direktorin Dr. Gisela Schneider zur Eröffnung der Zentralapotheke nach Liberia reisen. Bis dahin nehmen wir herzliche Grüße mit und bedanken uns für die vielen Einblicke und die eindrücklichen Erfahrungen. Die Zeit werde ich so schnell nicht vergessen.

Nach 20 Stunden Reise bin ich wieder Zuhause. Doch angekommen bin ich noch nicht ganz. Meine Seele reist noch nach. Aber ich möchte mich für Ihr Interesse an meinem Blog herzlich bedanken! Und hoffe, dass Sie auch unsere nächsten Reisen auf diesem Blog weiter begleiten werden.

Einst gefährlichste Hauptstadt der Welt

Um einen Eindruck von der Landeshauptstadt zu erhalten, machen wir eine kleine Stadtrundfahrt. Monrovia erstreckt sich über eine weite Fläche und liegt an der Mündung des Saint Paul Rivers in den Atlantik. Die Stadt zählt über 1 Million Einwohner, also knapp ein Viertel aller Einwohner Liberias.

14 Jahre Bürgerkrieg haben ihre Spuren hinterlassen. Gegründet 1822 von befreiten amerikanischen Sklaven, war Liberia als „Land der Befreiten“ seit 1847 eines der ersten unabhängigen Länder Afrikas – und politisch lange Zeit vergleichsweise stabil.

Doch von 1989 bis 2003 bekämpften sich Regierungstruppen und Rebellen, darunter viele Kindersoldaten. Rund 250.000 Tote, eine Million Geflüchtete, humanitäres Chaos, Hunger, eine unterbrochene Strom- und Wasserversorgung und eine Cholera-Epidemie waren die Folgen der Gräueltaten, Ritual- und Massenmorde.

Wir fahren durch die als Shanty towns bezeichneten Slums und vorbei an kleinen dicht gedrängten Hütten und Häuser mit Wellblechdächern. Vor vielen Häusern haben die Menschen Marktstände aufgebaut und versuchen Gemüse, Teigwaren oder Kleidung zu verkaufen, um zu überleben.

Nur wenige Straßen sind geteert. Viele Menschen sind unterwegs, nur Touristen sieht man keine. Zu den größten Problemen Liberias gehört die kaum geregelte Müllentsorgung und ein fehlendes Umweltbewusstsein. Plastikmüll liegt überall in den Straßen, Teile werden auf offener Straße verbrannt.

Am Schluss fahren wir noch zum Ducor Palace Hotel. Das Intercontinental Hotel wurde in den 1960er Jahren als Luxushotel auf dem höchsten Punkt der Stadt gegründet. In diesen Jahren blühte Liberia, exportierte Nahrungsmittel, Erze und Gummirohstoff in die ganze Welt. Das Ducor hatte fünf Sterne, als eins von wenigen Hotels in ganz Afrika. Bei der Einweihung nahm neben dem Präsident von Sierra Leone auch die israelische Außenministerin Golda Meir teil. Während seiner Betriebsjahre gab es hier wichtige Treffen zwischen afrikanischen Führern. Der ugandische Diktator Idi Amin, Muammar al-Gaddafi und der ehemalige Machthaber Robert Mugabe aus Simbabwe sollen hier genächtigt haben.

Heute ist das geschichtsträchtige Gebäude des Ducor Hotels durch den Bürgerkrieg, Plünderungen und Besetzungen weitgehend verfallen. Es gibt kein einziges Fenster mehr und keine Türen. Aber der Ort hat für mich etwas geheimnisvolles und zugleich unheimliches. Und irgendwie kann ich mir die einstige Pracht und Dekadenz dieses Ortes gut vorstellen.

Haribo-Fledermäuse und die Tücken interkultureller Kommunikation

Das Murex Hotel ist ein von Libanesen geführtes Hotel mitten in Monrovia. Auf der Speisekarte finden wir Falafel mit Sesam-Sauce, Humus und Kibbeh, Klöße aus Bulgur mit einer Füllung aus Hackfleisch und Zwiebeln.

Zum Frühstück gibt es einen scharfen Eintopf aus Gemüse und Würstchen, Süßkartoffeln, süße Kuchen und Omelette, aber auch frische Papaya und Ananas.

Bei dieser Fülle an Speisen im Hotel, in dem hauptsächlich Mitarbeitende internationaler Organisationen absteigen, ist es kaum zu glauben, dass viele Einwohner Liberias an Mangelernährung leiden.

Das läge nicht nur an den Folgen des Bürgerkrieges, der nach 14 Jahren erst 2003 endete, und an der Ebola-Epidemie. Auch traditionelle Koch- und Essgewohnheiten tragen dazu bei. Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung sind Cassava und die Yamswurzel, Kochbananen und Mais. Diese machen sie zwar satt, verfügen aber nur über wenige Nährstoffe. Früchte werden selten gegessen. Fisch wird oft frittiert.

Dazu kommt, dass viele Nahrungsmittel importiert und dadurch für die lokale Bevölkerung oft zu teuer sind. Anders sieht es bei beispielsweise Reis aus Amerika oder Indien aus. Dieser ist oftmals günstiger als der einheimische, dafür aber nährstoffärmer. Ebenso die Agrarexporte aus der Europäischen Union. So werden beispielsweise rund 700 Millionen Kilogramm Geflügelfleisch jedes Jahr aus der EU in afrikanische Länder exportiert. Mit den niedrigen Preisen können lokale Geflügelzüchter nicht mithalten – und Arbeitsplätze in der Lebensmittelproduktion gehen verloren.

Schon Neugeborene und Kleinkinder sind oft durch die Fehlernährung ihrer Mütter zu leicht und zu klein. Aber auch das Wissen um das richtige Stillen ist fast vollständig verloren gegangen. Viele Mütter stillen bereits nach wenigen Monaten ab. Dabei fehlt ihnen oftmals das Geld für Milchpulver.

Heute haben wir einen Tag im Büro eingeplant. Olaf bespricht mit dem Managementteam die Jahresplanung unseres Partners, des Christlichen Gesundheitsnetzwerks in Liberia (Christian Health Association of Liberia, CHAL). Ich spreche mit dem Kommunikationsbeauftragten Lawrence über eine Kommunikationsstrategie für die neue Zentralapotheke in Gbarnga, die in der Grenzregion zu Guinea bekannt gemacht werden soll. Geplant sind Radiobeiträge, weil Radio die meisten Menschen hier in Liberia erreicht.

Zu aller Belustigung verteile ich meine mitgebrachten Fledermäuse aus Weingummi und Lakritz von Haribo. Was ich nicht bedacht habe, was mir aber die Kolleginnen und Kollegen von CHAL schmunzelnd wieder ins Gedächtnis rufen: Das Ebola-Virus wurde durch den Verzehr von Fledermäusen übertragen.

Abends laufen Olaf und ich noch vom Hotel aus an den Strand. Paare spazieren hier über den Sand und in Ferne spielen Jugendliche Fußball.